Am Symposium anlässlich von Prof. Dr. med. Brigitte Woggons Emeritierung 2008 nannte sie der damalige Rektor der Universität Zürich, Andreas Fischer, «Mutter Zivilcourage», und mit dem Titel «Wer sich nicht wehrt, geht unter» - würdigte die Universität in der Festschrift 2010 ihre fast 40-jährige Tätigkeit an der Psychiatrischen Universitätsklinik (PUK) Zürich.
Nach dem Medizinstudium und einer klinischen Weiterbildung in Berlin arbeitete Brigitte Woggon von 1970 bis 2009 als Ärztin in verschiedenen Funktionen an der PUK in Zürich. Sie wurde 1973 die erste Oberärztin der Klinik und habilitierte sich 1983 als erste Frau für das Gebiet der Klinischen Psychiatrie mit besonderer Berücksichtigung der Psychopharmakotherapie an der Universität Zürich. Im Jahr 1990 wurde sie zur Titularprofessorin und 1996 zur Extraordinaria der Universität Zürich berufen. Von 1988 bis 1990 amtierte sie als interimistische Klinikdirektorin der PUK Zürich. Nach der Emeritierung anfangs 2009 setzte Brigitte Woggon ihre psychiatrische Tätigkeit in eigener Praxis in Zürich fort.
Ihr wissenschaftliches Hauptinteresse lag in der Erforschung der erwünschten und unerwünschten Arzneimittelwirkungen bei psychisch erkrankten Menschen.
Brigitte Woggon hat Grenzen durchbrochen und hat in ihrer Tätigkeit oft auch Konventionen in Frage gestellt. Als Präsidentin der Gleichstellungskommission von 2001 bis 2008 hat sie sich massgeblich an der Erarbeitung und Einführung des heute noch gültigen Verhaltenskodex «Gender Policy» der Universität Zürich eingesetzt. In der klinischen Tätigkeit galt für sie stets ihr Motto: «Für mich zählt, was den Patienten hilft». Dass ihr Mut und ihre Zivilcourage sowie ihre direkte, zuweilen auch undiplomatische Art ihr selbst nicht nur Vorteile eingebracht haben, versteht sich von selbst. Die von ihr entwickelte Hochdosis-Pharmakotherapie bei schwer kranken Patienten, welche auf konventionelle Behandlungen nicht oder ungenügend angesprochen haben, war in Fachkreisen nicht unumstritten. Ein besonderes Anliegen war es Brigitte Woggon, ihr Wissen an die breite Ärzteschaft – und insbesondere an jüngere Kollegen und Kolleginnen – weiterzugeben. Ausserdem war sie mit ihrer pointierten und humorvollen Art eine sehr geschätzte Referentin an Kongressen. Bis weit über ihre Emeritierung hinaus pflegte sie ihr «Pharmakränzli», in dem interessierte Kolleginnen und Kollegen Fälle aus der Praxis vorstellen konnten.
Ich habe Brigitte Woggon nur aus der Ferne gekannt. Die einzige kurze persönliche Begegnung war in den 1990er Jahren anlässlich einer SGPP-Tagung, in welcher sie sich engagiert für die akademische Nachwuchsförderung in der Psychiatrie eingesetzt hat. Sie hat mich mit ihrer direkten und unkompliziert nahbaren Art beeindruckt. Später kamen Begegnungen mit ehemaligen Patienten und Patientinnen von Brigitte Woggon dazu, welche berichtet haben, wie sie von ihrem unermüdlichen therapeutischen Einsatz und Optimismus profitiert hätten.
Brigitte Woggon bleibt als prägnante, vielschichtige und humorvolle Persönlichkeit, als engagierte Ärztin für die psychisch schwerkranken Patienten und Patientinnen sowie als akademische Lehrerin in positiver Erinnerung.